Wie alles begann... die Entwicklung zum SVT

SVT Bauart Hamburg

Wir feierten Geburtstag!

Unser 877er wurde am 19.12.2022 Neunzig Jahre alt!

Hierzu haben wir eine Ausarbeitung von Herrn Dipl.-Ing. Heinz-R. Kurz erhalten, in der der VT 877 gewürdigt wird. Wir bedanken uns für die Arbeit und die Überlassung der Ausarbeitung. Herr Kurz ist ausgewiesener Triebwagenspezialist und hat mehrere grundlegende Bücher über die SVT´s verfasst.

Schnelltriebwagen 877 a/b „Fliegender Hamburger“ 90 Jahre

Am 19. Dezember 1932 trat der erste Reichsbahn-Schnelltriebwagen 877 a/b, der spä­ter sog, „Fliegende Hamburger“, seine erste reguläre Probefahrt vom Lehrter Bahnhof in Berlin nach Altona Hbf (damals noch eine selbständige Stadt) an. Mit einer erreichten Geschwindigkeit von 165 km/h wurden alle Erwartungen erfüllt. Der in auffälligem Vio­lett/Elfenbein lackierte Doppelwagen hatte zuvor beim Maybach-Motorenbau in Fried­richshafen seine zweite Maschinenanlage erhalten und noch unter Maybach-Regie erste Werksprobefahrten zwischen Friedrichshafen und Ulm absolviert, wobei zwischen Aulendorf, Erbach und Ulm bis zu 160 km/h gefahren werden konnte.

Die Initiative für den Schnellverkehr auf Schienen ging dabei nicht von der Reichsbahn aus. Die 1928 von Franz Kruckenberg mitgegründete Flugbahn-Gesellschaft hatte Pläne für ein Schnellbahnsystem auf Reichsbahngleisen bis 160 km/h und auf Sondergleisen für über 200 km/h  vorgelegt. Die Reichsbahn sah aufgrund der damaligen wirtschaft­lichen Probleme keine Möglichkeiten zum Bau besonderer Gleise für den Schnellver­kehr, unterstützte aber den Bau des von Kruckenberg vorgeschlagenen Versuchstrieb­wagens mit Luftschraubenantrieb.

Die Reichsbahn beschäftigte sich stattdessen konkret mit den Möglichkeiten, die Re­i­segeschwindigkeiten im konventionellen Netz zu steigern und ließ einen zweiteiligen Triebwagen für 160 km/h bei der WUMAG in Görlitz entwickeln. Die diesel-elektrische Maschinenanlage mit zwei Maybach-Diesel-Motoren von je 410 PS, einem  292-kW-Generator von SSW und zwei elektrischen Tatzlager-Fahrmotoren (ebenfalls von Siemens-Schuckert) sollte ausschließlich in den drei  Drehgestellen untergebracht werden.
Nach dem erfolgreichen Abschluss der Probefahrten konnte am 15. Mai 1933 der fahrplanmäßige Betrieb zwischen Berlin und Altona aufgenommen werden. Wie alle Reichsbahn-Schnelltriebwagen litt auch der 877 a/b unter der Maybach-Krise Mitte der 1930-er Jahre. Der angestrengte Einsatz mit längeren zusammenhängenden Streck­enabschnitten hoher Durchschnittsgeschwindigeit hatte die Maybach-Motoren bis an die Grenzen be- und überlastet. Durch geeignete Maßnahmen wie die Motorvorwämung zur Vermeidung des Kaltstarts oder die Kolbenölkühlung konnten die Betriebsbedingungen für den Dieselmotor so verbessert werden, dass Motorausfälle künftig zur Seltenheit gehörten.
Bei Kriegsbeginn wurde der Schnelltriebwagenverkehr  eingestellt. Bei Kriegsende fand sich der Triebwagen in Friedrichshafen wieder, das jetzt in der französischen Zone lag. Die französische Besatzungsmacht baute den Triebwagen zum Lazarettwagen um. Spä­ter richteten die Südwestdeutschen Eisenbahnen (SWDE, Verwaltungssitz in Spey­er) das Fahrzeug für den Einsatz ab dem Winterfahrplan 1949 zwischen Basel und Frank­furt am Main als „Schnelltriebwagen Rhein – Main“ mit neuem Anstrich in Elfenbein/Rot her. Nach der Eingliederung der SWDE in die Deutsche Bundesbahn wurde der Einzelgänger 1952 mit automatischer Scharfenberg-Kupplung und Kontakt­leisten für die Steuerkabel ausgerüstet, um ihn mit anderen Vorkriegs-SVT, aber auch mit dem VT 08 gemeinsam fahren zu können. Bei dieser Gelegenheit erhielt er auch seinen DB-Ein­heitsanstrich in Purpurrot und wurde in VT 04 000 umgezeichnet.
Nachdem die Nachkriegs-VT 08 in genügender Stückzahl verfügbar waren, wurde der Triebwagen nach Hamburg umbeheimatet und damit gleichzeitig sein Ende eingeläutet, da er nur noch gelegentlich als Verstärkungswagen, z. B. im Helvetia- oder Kopenhagen-Express, eingesetzt wurde. Am 29. Juni 1957 stimmte die Hauptverwaltung der DB der Ausmusterung zu.

Im weitesten Sinne kann man den „Fliegenden Hamburger“ als einen frühen Vorläufer des ICE unserer Tage bezeichnen. Daher ist es besonders unglücklich, dass er nicht als Museumsfahrzeug erhalten werden konnte. Als zerschnittener Torso ohne Triebdreh­gestell fristet er sein Dasein im Nürnberger DB-Museum.

Klicken Sie neben den Bildern oben auf das für Sie interessante Thema in den Text